Wanderfalkenpflegling: Training, Ausbildung und Auswilderung

29. August 2021

Mitte Mai erreichte uns ein Anruf von Berthold Geis:

 

Die Wildtierhilfe Schelderwald hatte sich an ihn gewandt, da ihnen ein aus dem Nest gefallener Wanderfalke gemeldet wurde. Der Horst befand sich direkt unter einer Autobahnbrücke an einer stark befahrenen Straße in ca. 20 Meter Höhe. Aufgrund der Verkehrsbedingungen war daher ein Zurücksetzen des Falken leider nicht möglich, sodass er von der Wildtierhilfe Schelderwald aufgenommen wurde.

 

Wir nahmen gleich mit Angelika und Werner Schmäing Kontakt auf. Wir, das sind mein Mann Frank Kasolevski, der von meiner Leidenschaft, der Falknerei, ebenso infiziert wurde wie ich (Monika Klaus, seit 7 Jahren aktive Falknerin). Frank unterstützt mich in allen Bereichen, ist während der Jagd auf Rabenkrähen und Nilgänse mein Fahrer, moralische und emotionale Unterstützung und lebt und erlebt mit mir zusammen die Falknerei in der Praxis.

 

Die Wildtierhilfe Schelderwald ist eine anerkannte Wildtierauffangstelle und wird von Angelika und Werner sehr professionell und ausschließlich privat organisiert. Angelika und Werner kümmern sich um Wildtiere jeglicher Art und sind sehr engagiert. Ihnen war schnell klar, dass sie den Falken zwar versorgen können, er aber vor einer Auswilderung falknerisch trainiert werden muss.

 

Wir verabredeten uns noch für den gleichen Tag. Bewaffnet mit einer entsprechenden Transportmöglichkeit für den Falken, machten wir uns auf den Weg Richtung Dillenburg. Dort angekommen, fanden wir den Falken gut gesichert in einer rundum geschlossenen Box, sodass auch das Gefieder keinen Schaden nehmen konnte. In dem sehr netten Gespräch mit Angelika und Werner erklärten wir, wie nun mit dem Falken weiter vorgegangen werden muss. Dann wurde auch schon der nächste Pflegling gebracht und wir verabschiedeten uns.

 

Bei dem Wanderfalken handelte es sich um ein Weib, welches noch letzte Dunenreste im Gefieder hatte und somit noch nicht ausgewachsen (trocken) war. Da wir hier eine Fachmeinung von einem „Falkner“ benötigten, riefen wir kurzerhand Thomas Schneider an, der zusammen mit seiner Tochter Janin Kristin seit Jahren Wanderfalken züchtet, ausbildet und fliegt. Thomas hatte Zeit für unseren sehr spontanen Besuch und so fuhren wir weiter nach Limburg. Als Fachmann sah er natürlich sofort, dass der Falke noch nicht trocken war und noch einige Zeit benötigte, um in die Ausbildung genommen zu werden. Glücklicher Weise hatte er gerade eine Voliere frei, in der der Falke die Zeit bis zum Trockenwerden verbringen konnte. Da Thomas zu dieser Zeit ebenfalls einen Jungvogel zur Aufzucht hatte, verbrachten die Zwei die letzten Wochen gemeinsam in der Voliere und konnten so als „Geschwister“ aufwachsen.

 

Mitte Juni war es dann soweit. Wir konnten den Falken abholen. Ausgerüstet mit allen Utensilien fuhren wir zu Thomas, der uns beim Aufschirren des Falken half und uns auch eine Haube zur Verfügung stellte.

 

Das Abtragen eines Falken unterscheidet sich wenig vom Abtragen von Habicht oder Harris. Ein Unterschied stellt das Verhauben dar, was bei einem Falken wesentlich ist und das Abtragen weniger stressanfällig macht. Innerhalb von ca. 4 Wochen war der Falke soweit, dass er im Freien auf das Federspiel kam und wenige Tage später wagten wir den ersten Freiflug.

 

Da es das erste Mal war, dass ich einen Falken trainierte, hatte ich natürlich viele Fragen und Unsicherheiten. In der ganzen Zeit des Abtragens und Einfliegens waren unsere ständigen Ansprechpartner Thomas Schneider, Jürgen Lutzenberger ("Poldi") und Orlik Frank die uns wirklich ständig (manchmal mehrmals täglich) mit Rat und Tat zur Seite standen und nie müde wurden, uns mit Informationen zu versorgen. Vielen vielen Dank dafür!!! Es hat uns unglaublich geholfen und auch sehr gefreut, wie gut hier die Falknergemeinschaft zusammenarbeitet! Poldi versorgte uns auch mit einem wirklich praktischen Stangenfederspiel, welches auch von einem Anfänger im Federspieltraining sehr gut gehändelt werden kann.

 

Da Frank als auch ich in der Zeit gerade Urlaub hatten, war es möglich, den Falken täglich zu trainieren. Das machte sich schnell in Ausdauer und Muskelaufbau bemerkbar. Jeden Tag schaffte er mehr Durchgänge am Federspiel, sodass wir bald zur Beuteprägung übergehen konnten.

 

Von einem bekannten Taubenzüchter bekamen wir wildtaubenähnliche, tote Brieftauben, auf die wir den Falken prägten. Nachdem der Falke die Tauben sicher als Beute erkannte und schlug, mussten wir uns langsam Gedanken um die Freilassung machen.

 

Nach Rücksprache mit dem Regierungspräsidium Gießen erhielten wir grünes Licht für unser Vorhaben. Als „Zeuge“ der Auswilderung konnten wir Michael Hoffmann vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie, Gießen, gewinnen. Herr Hoffmann ist bei uns als „Vogelförster“ bekannt und beschäftigt sich schon viele Jahre mit den Vorkommen und Brutplätzen der heimischen Vogelwelt, speziell der Eulen und auch Greifvögel. Herr Hoffmann hat zu diesem Thema schon einige Publikationen veröffentlicht. Er bestätigte uns, dass im ausgesuchten Freilassungsgelände keine Wanderfalken ansässig sind und auch die Struktur der Landschaft für den Wanderfalken ideal ist.

 

Am 15.08.2021 war es dann soweit, es hieß Abschied nehmen. Mit einem lachenden und zwei weinenden Augen fuhren wir am späten Vormittag mit einem aufgeatzten Falken ins Freilassungsgelände. Eingepackt in ein feuchtes Handtuch waren das Geschüh und die Bells schnell entfernt. Noch Abhauben und schon flog der Falke seiner Freiheit entgegen.

 

Wir hoffen, dass sich die Wochen des Trainings bezahlt machen und der Falke nun gut gerüstet für die Freiheit ist. Die Vorkommen an jungen Ringeltauben ist im Freilassungsgelände ideal und so wünschen wir dem Falken allzeit Falknersheil und guten Anblick.

 

Monika Klaus & Frank Kasolevski

ODF Hessen