Beizjagd auf Kanin - JagdKAMERADSCHAFT statt JagdNEID

13. Februar 2016

Wie schon bei meinem ersten Bericht, bitte ich auch heute wieder um Verzeihung für mein eventuell mangelhaftes falknerisches Vokabular. Meine Begeisterung über die Falknerei wächst zwar stetig von Beizjagd zu Beizjagd, aber dennoch stelle ich auch jedes Mal wieder fest, wie viel ich noch lernen muss. Also bitte seht mir den einen oder anderen Lapsus nach und haltet im Hinterkopf, dass dies die Perspektive eines emsigen Helferbienchens ist - und nicht die eines Falkners!

 

Die Falkner sind schon ein ganz besonderes Völkchen. Obwohl doch alle Falkner auch Jäger im „herkömmlichen Sinne“ sind, unterscheiden sie sich in vielerlei Hinsicht von den Waidmännern mit der Waffe. Das stelle ich immer wieder aufs Neue fest. Und es imponiert mir immer wieder unglaublich. Es existiert einfach keinerlei Neid untereinander. Jeder Einzelne freut sich ehrlich über den Jagderfolg des Anderen. Und mehr noch: Jeder Einzelne in der Gruppe ist jederzeit aufmerksam dem Anderen gegenüber. Könnte der Jagdkamerad, dessen Beizvogel gerade auf der erfolgreich geschlagenen Beute sitzt, vielleicht Hilfe gebrauchen? Und sei es nur, um seinen Vogel auf die Faust zu nehmen, während er das gebeizte Wild versorgt. Vier Hände sind immer besser als nur zwei!

 

Hier ein kleines Beispiel: Bei der heutigen Beizjagd nahm der Harris-Terzel „Leo“ von Kerstin die Verfolgung eines Kaninchens auf und war aufgrund der örtlichen Gegebenheiten relativ schnell, komplett außerhalb unseres Sichtfeldes. Kerstin eilte natürlich sofort hinter dem Gespann her, aber der Rest der Gruppe blieb gespannt an dem frettierten Bau stehen. Das Frettchen ließ sich nicht blicken, also gingen wir alle davon aus: DA KOMMT NOCH WAS. Und so sollte es auch sein! Ein weiterer schöner Jagdflug von Bernds „Zoe“ war zu beobachten. Nur wenige Minuten später wurden schon die ersten Fragen nach Kerstin und Leo laut. Sieht irgendjemand was? Braucht sie vielleicht Hilfe? Milena war der Meinung, ein klagendes Kanin gehört zu haben.

 

Im nächsten Moment kam auch schon eine sehr abgekämpfte Kerstin auf uns zu. Schon von Weitem war „Ich brauche mal eure Hilfe“ zu hören. Milena überlegte nicht lange, übergab dem Mädchen-für-alles-an-diesem-Tag (also mir) ihre Hexe und eilte mit Kerstin davon. Es stellte sich heraus, dass sich am Rande des Grundstückes eine alte Mauer befand, vor welche der Eigentümer des Geländes eine Art dachlosen Gitterkäfig errichtet hat mit einer abgeschlossenen (!) Tür, um alle möglichen Gerätschaften vor Diebstahl zu schützen. Das Kanin, dass von Leo gejagt wurde, hat sich direkt in diesen schuppen ähnlichen Käfig hinein gerettet - und wohl nicht damit gerechnet, dass Leo sich diese Chance unter keinen Umständen entgehen lassen wird.

 

Kerstin Baldschuns „Leo“ stürzte nach einer kurzen Zwischenlandung im Baum von oben in den Käfig hinein und hat das Kanin gebunden. Für das Kanin gab es kein Entkommen mehr. Leider gab es auch für Kerstin kein HINEINkommen! Sie unternahm mehrere Versuche, die Käfigwände zu überwinden, entschied sich aber dann, einen der Jagdkameraden um Hilfe zu bitten. In Milenas zartem Alter von 19 Jahren sind so manche Klippen doch im wahrsten Sinne des Wortes noch etwas leichter zu erklimmen. Sie schaffte es tatsächlich oben drüber und in den Käfig hinein. Leo, der das Kanin im perfekten Kopfgriff festhielt, war allerdings nicht begeistert, Milena und nicht Kerstin an seiner hart erkämpften Beute zu sehen. Milena fing das Kanin ab und nun stellte sich die Frage: „Wie kommen wir drei hier wieder raus?“ Beherzt schnappte sich Milena den Doppelpack und reichte das Kanin mitsamt dem darauf sitzenden Harris-Hawk über den Zaun an Kerstin weiter und schwang sich dann selbst wieder hinüber.

 

Kerstin war überglücklich nach dem Jagderfolg ihres Leos. Die beiden sind nun am Ende ihrer ersten gemeinsamen Jagdsaison. Sie mussten sich aufeinander einstellen und das haben sie getan. Die ersten Flüge, die ich von Leo in dieser Saison gesehen habe, waren eher tollpatschig. Man hatte den Eindruck, als wüsste er nicht genau, was er tun sollte. Irgendwie fehlte ihm der Biss. Die beiden haben sämtliche Chancen, die ihnen der ODF Hessen unter der Leitung von Berthold Geis geboten hat, genutzt und eine Menge daraus gelernt. Heute war Leo ein mutiger und zielstrebiger Jäger, der, wenn er die Beute erreichen konnte, nicht mehr unbeholfen am Hinterteil des Kaninchens hing, sondern mit perfekten Kopfgriff zuschlug, mantelte und auf seine „Abfangjägerin“ Kerstin wartete. Am Ende dieses Beiztages sollten Kerstin und „Leo“ mit zwei geschlagenen Kaninchen verdientermaßen die Jagdkönige sein.

 

Das Gelände war - sehr zum Leidwesen des Eigentümers - von Bauten nur so durchsiebt. Der betriebswirtschaftliche Schaden ist nach seinen eigenen Aussagen beträchtlich. Wir waren also mehr als willkommen! Einfach war das Gelände nicht. Die Vögel hatten einige Hindernisse zu umfliegen und die Frettchen-Führer standen mal wieder in so manchem dornigen Gestrüpp. So auch an einem Bau am Rande des Geländes. Das tatsächliche Ausmaß dieses Kaninchenbaus wurde uns erst nach und nach bewusst. Er war riesig! So kam es wie es kommen musste: Das Frettchen veranlasste 3 Kaninchen zum Springen. Eines entwischte unbejagt. Die beiden anderen mussten sich jeweils gegen einen Harris-Hawk im Nacken durchsetzen - und hatten Erfolg! Dann passierte lange Minuten nichts! Wir sahen nichts und wir hörten nichts.

 

Unmittelbar hinter dem Bau (an der Grundstücksgrenze) verlief eine sehr stark befahrene Straße. Es war einfach unmöglich, aus den Verkehrsgeräuschen eventuell ein Glöckchen des Frettchens herauszufiltern. Im dichten Bewuchs entdeckten wir immer mehr Ein- und Ausgänge in ein- und denselben Bau. Bernd wurde langsam unruhig und meinte „Das gefällt mir gar nicht“. Sollte sein Frettchen innerhalb des Röhrensystems ein Kaninchen geschlagen haben, könnte es Stunden oder Tage dauern, bis es wieder ans Tageslicht kommt. Es half alles nix – das Frettchen steckte fest. Jetzt hieß es warten! Wir einigten uns darauf, dass die Gruppe weiterzieht und ich mich um das noch im Bau befindliche Frettchen kümmere. Die Falkner waren keine 30 Sekunden weg, da sprang das vierte Kanin aus dem Bau! Meine Hoffnung stieg. Ich habe schon oft erlebt, dass das Frettchen direkt hinter dem letzten Kaninchen aus dem Bau herausschaut und abgenommen werden kann. Aber es war kein Frettchen zu sehen. Ist tatsächlich noch ein Kanin drin? Hat das Frettchen eins erwischt? Da hockte ich nun im dichten Gestrüpp und komponierte Symphonien mit dem „Clicker“.

 

Alle paar Minuten kämpfte ich mich auf den Weg zurück, um auch dort nach dem Frettchen Ausschau halten zu können. Von keinem Punkt aus konnte ich alle Eingänge im Blick haben. Für mich war klar: Ohne Frettchen kann ich Bernd (und vor allem Vroni, die heute leider nicht dabei sein konnte) nicht unter die Augen treten. Also, Petra, übe dich in Geduld und lass dir was einfallen. Leider gab meine Ausrüstung nicht allzu viel her: ein Jagdmesser, Vitaminpaste und ein Clicker. Na toll! Not macht erfinderisch! Ein langes Stöckchen mit einem ordentlichen Klecks Vitaminpaste an der Spitze habe ich mehrfach in jeden Ein- und Ausgang gesteckt – begleitet von nervtötendem Geklickere! Wie sehr habe ich mir Bertholds Frettchen-Wunder-Angel herbeigewünscht. Aber leider war nichts Fleischiges verfügbar in diesem Moment. Hätte ich mir doch nur eine Keule von einem der gebeizten Kaninchen geben lassen!

 

Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, muss ich laut über mich selbst lachen. Warum um alles in der Welt sollte denn das fleischfressende Frettchen zu meiner bescheuerten Vitaminpaste kommen, wenn noch anständiges Futter im Bau zu finden ist? Genau das war nämlich der Fall! Innerhalb der nächsten 15 Minuten kamen noch zwei weitere Kaninchen aus dem Bau gesprungen! Es waren also insgesamt sechs! Und direkt hinter Kanin Nr. 6 kam - wie sollte es anders sein - das langersehnte Frettchen! Das letzte Kaninchen war wohl zweifellos ein sehr wehrhaftes Exemplar. Es sah aus, als hätte es in die Steckdose gegriffen. Das Frettchen war sichtlich genau so froh wie ich, dass es zurück in die Transportkiste konnte. Vorher musste es allerdings noch eine Routinekontrolle auf etwaige Verletzungen über sich ergehen lassen. Doch bis auf die vor lauter Wolle quasi nicht mehr sichtbaren Vorderläufe konnte ich keinerlei Kampfspuren feststellen. Dankbar hat es sich in der Transportbox sofort zur Ruhe gelegt. Nun erklärte sich natürlich auch Aussehen des zuletzt gesprungenen Kanins. Die beiden haben sich unter Tage ordentlich in die Wolle bekommen! Einmal mehr muss ich ein Loblied auf diese unglaublichen Jagdhelfer singen. Unerbittlich, absolut verlässlich und zielstrebig gehen sie ihrer Arbeit nach! Feierabend ist erst, wenn der letzte Gast das Lokal verlassen hat! Wie immer habe ich mindestens die Hälfte der Jagdflüge verpasst, weil ich irgendwo in den Büschen hockte, um die Frettchen im Auge behalten zu können. Das ist einerseits sehr schade, andererseits kann ich nicht behaupten, dass mir langweilig war. Ganz im Gegenteil!

 

So bleibt mir nur zu erwähnen, dass Milenas „Hexe“ das erste Kaninchen dieses Beiztages geschlagen hat. Bei der genauen Beschreibung dieses Jagdfluges muss ich leider aus den geschilderten Gründen passen. Als Kerstins „Leo“ seinen zweiten und letzten Beizerfolg des Tages verzeichnen konnte, war auch Bernds „Zoe“ auf den Spuren des gleichen Kanins. Leo konnte sich durchsetzen und das Kanin auf sein Konto verbuchen. Und Zoe bewies einmal mehr, dass sie die Kompanie-Jagd, die die Harris-Hawks in ihren Familienverbänden in der Natur ausüben, durchaus beherrscht. Hierzu gehört nämlich auch, dem Mitjäger - also dem anderen Harris-Hawk - die Beute zu überlassen! Das ist nicht selbstverständlich! Vögel, die diese Art zu jagen nicht gewöhnt sind, können durchaus im Streit um die Beute gegenseitig aufeinander losgehen. Auch das habe ich schon erlebt. Solche ungewollten Kompanieflüge enden nicht selten in der Gießener Tierklinik. „Zoe“ allerdings scheint hier sehr tolerant zu sein. Sie saß ca. 2 Meter vom auf der Beute mantelnden „Leo“ entfernt auf der nächsten Sitzgelegenheit und ließ sich ohne Knurren von Bernd abholen! Chapeau!

 

Bernds „Zoe“ konnte mit einigen wunderschönen und teilweise waghalsigen Flügen beeindrucken. Leider wurde kein Jagdflug von Erfolg gekrönt. Als dann am Nachmittag auch noch der Regen einsetzte und „Zoe“ nicht mehr wirklich jagdtauglich aussah, musste Bernd sein Ziel (eine Runde Zahl an gebeizten Kaninchen vollmachen) endgültig aufgeben und ausnahmsweise erfolglos den Heimweg antreten.

 

Vielen lieben Dank an euch alle, dass ich mal wieder dabei sein durfte! Ihr lehrt mich nicht nur Vieles über die Falknerei - ihr lehrt mich auch, was Jagdkameradschaft ist!

 

Allzeit Falknersheil,

 

Petra Eckrich

Komturei Hessen

 

Dabei waren:

 

Falkner

Bernd Dietze mit Harris-Hawk-Weib „Zoe“

Milena Wohlfarth mit Harris-Hawk-Weib „Hexe“

Kerstin Baldschun mit Harris-Hawk-Terzel „Leo“

 

Jagdhelfer

Paul Dietze mit seinen 2 Frettchen-Fähen „Sissi“ und „Tanja“

Petra Eckrich mit Milenas Frettchen-Fähe „Lola“