Hochwasserbeizjagd - von schwimmenden Mäusen und tauchenden Kaninchen

02. Januar 2018

Es war früh, verdammt früh. Harris-Terzel „Leo“ guckt mich ganz überrascht an, als ich um 6:00 Uhr morgens in seine Voliere komme. Es war dunkel, regnete und war nicht wirklich kuschelig draußen. Schweigsam packe ich meine Sachen zusammen, koche Kaffee, wiege Leo (und denke noch, er ist sehr niedrig, 10 Gramm unter seinem normalen Jagdgewicht) und lade das Auto voll. An Sachen zum Wechseln habe ich gedacht, an Gummistiefel dummerweise nicht. Das wird mir aber erst im Laufe des Tages klar. Pünktlich um 7:00 Uhr sind wir auf dem Weg zu unserer ersten Komturei-Beizjagd des neuen Jahres am 02.01.2018.

 

Nach zweieinhalb Stunden Fahrt durch Sturm und Regen erreichen wir den Treffpunkt, wo Alexander und Kati Junker uns schon herzlich begrüßen. Der Regen hat aufgehört, und die Vorhersage für den Tag ist gut. Nach und nach treffen die Teilnehmer und Gäste ein. Nach einer kurzen Fahrt erreichen wir den Platz im Revier, wo wir heute beizen werden. Wir parken unter einer Brücke, nur 100 Meter von dem Fluss „Sieg“ entfernt. Kati, Alex und Berthold begrüßen uns nochmal und beschreiben uns die Örtlichkeiten und Besonderheiten.

 

„Das ist kein Falknerlatein, seid vorsichtig, die Kaninchen springen auch ins Wasser“, gab Alex uns mit auf den Weg. Oh ha. Ich kann zwar schwimmen, aber ich bin nicht lebensmüde. Da hinten lag kein ruhiger Bach, sondern ein reißender Fluss, der allerhand Treibgut beförderte und eine verdammt hohe Fließgeschwindigkeit hatte. Ich will nicht baden! Wir teilen uns in drei Gruppen ein, die unabhängig voneinander agieren werden. Zum Mittag werden wir uns wieder dort treffen.

 

Endlich geht es los. Wir müssen nicht lange nach Bauen suchen, sie liegen aneinander gereiht da. Eine kurze Absprache, wer fliegt, und ich darf sofort als Erstes ran. Frettchen im Bau und nur wenige Sekunden später springt das erste Kanin. „Vogel frei!“ das Kaninchen flüchtet über die freie Grünfläche auf die andere Seite, wo sich weitere Baue befinden. Es war ein toller, langer Flug, der Vogel hatte alle Chancen bei so guten Bedingungen, und trotzdem gibt es bei der Jagd keine Garantien. „Leo“ konnte das Kaninchen nicht binden und es rettete sich in den schützenden Bau auf der anderen Seite. So schnell, so perfekt. So kann es weiter gehen, denke ich mir. Und es ging so weiter. Jeder, wirklich jeder Bau war befahren. So was hatte ich noch nie erlebt. Die Kaninchen sprangen im Takt und so konnte Bertholds „Sally“ sehr schnell das erste Kaninchen fangen.

 

Gleich darauf „zwang“ uns ein kurzer Regenschauer zu einer schnellen Kaffeepause. Zu Kaffee sage ich zwar nie nein, aber wir wollten unbedingt weitermachen. Hochmotiviert ging es zurück. Und prompt passierte das, wovor ich wirklich Angst hatte. Es war wieder mal eine der kleinen Pannen, die immer mal passieren können. Ich habe „frei“ gelassen, obwohl das Kaninchen in die Richtung flüchtete, wo ein anderer Falkner mit seinem Vogel besser stand und jagen wollte. Jetzt waren also „Leo“ UND Bertholds Harristerzel „Harry“ frei. Die beiden sind schon bei früheren Jagden gemeinsam geflogen und normalerweise vertragen sie sich auch. Aber man weiß ja nie. Dieses Mal entschied „Leo“ ich gebe auf und flieg mal weg. Nach einem kurzen Flug überquerte Leo das Flüsschen „Sieg“. Ich wollte mich schon auf den Weg zur anderen Seite machen, aber da war er schon wieder zurück und landete im Baum über mir. Von dort kam er zurück auf die Faust. Puh, Glück gehabt. Erwähnte ich, dass ich diesen Vogel mag?

 

Wir bewegten uns weiter, immer am Ufer entlang. Und schon wieder flüchtete ein Kaninchen über die weite Fläche. „Leo“ hinterher, Kaninchen ab in den Bau. Insgesamt 3x dieselbe Szene. Toller Flug, tolle Chance, kein Erfolg. Zwischenzeitlich hatte sich „Sally“ das nächste Kaninchen nach nur einem kurzen Flug geschnappt. Wir stehen nur 30 cm vom Wasser entfernt als plötzlich nur einen Meter neben uns die Show beginnt: Kanin springt aus dem Bau, kopfüber in den Fluss, taucht ein paar Zentimeter und flüchtet in den nächsten Bau. Es gibt sie also, die schwimmenden Kaninchen.

 

Und auch Ratten (wegen dem Hochwasser?) bewohnen heute die Baue und fliegen tief und tauchen tiefer. Was für ein Schauspiel. Nicht nur ich sehe das, sondern auch „Leo“. Ich schaffe es aber, ihn sicher festzuhalten, denn nein, mein lieber Kamikaze, du stürzt dich nicht dahinter her ins Wasser. Er will es nicht verstehen, und ist nicht wirklich begeistert, dass er nicht loslegen darf. Weiter flussabwärts liefen immer mal wieder Kaninchen quer über die Wiese. Warum sie das tun, wurde mir erst später klar (das unheimlich schnell beginnende Hochwasser überflutete die Baue und die Kanin retteten sich vorm Ertrinken an höhere, gegenüber liegende Böschungen).

 

Die Zeit verging im Flug. Es war schon Mittag und ein festes Ritual bei uns, gemeinsam zu vespern, und wir verzichteten auch diesmal nicht darauf. Wir tauschten die ersten Erlebnisse aus, jeder hatte reichlich Flüge, Chancen und Beute. Noch lag unser Platz trocken und friedlich da. Das änderte sich in der nächsten halben Stunde sehr, sehr schnell. Kaum hatten wir alles wieder eingepackt und wollten weiter machen, da kommt das WASSER! Die „Sieg“ steigt schnell und die Straßenwacht der Gemeinde, die Patrouille fährt, ist auf Zack. Mit Schildern warnen sie vor dem Hochwasser. Wir parken schnell unserer Autos um und bringen alles aus der Gefahrenzone. Wo gerade noch Baue waren, ist nur noch Wasser, wo wir eben geparkt haben, steigt das Wasser unaufhörlich. Die Kaninchen verlassen die Baue und bringen sich in Sicherheit.

 

Also führt Alex uns in einen anderen Teil seines Reviers, wo noch nicht alles überflutet ist. Lässig, quasi im Vorübergehen zeigt er uns, wie „seine“ Zusammenarbeit mit Hund und Vogel aussieht. Er hatte uns bis jetzt als Gäste die ganzen Chancen gelassen und wollte seinem Habicht jetzt auch mal einen Flug gönnen. Englisch-Setter-Kurzhaar-Rüde steht vor, sein anderer Hund (Münsterländer) stöbert das Kaninchen auf und macht es hoch. Kanin rennt, Habicht frei. Falknersheil! Das dauerte insgesamt alles in allem noch keine 5 Minuten und es war wunderschön, auch diese Art von Jagd mit dem Hund zusammen mal aus der Nähe zu sehen. Da kommt man fast in Versuchung, sich mal „einen ordentlichen Jagdhund“ zu holen.

 

Dass ich das später auch noch probieren durfte, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Wir gingen weiter, es wurde frettiert und wir hatten wieder Flüge und Erfolge. Auch Mäuse sprangen zuhauf und schwammen um ihr Leben. „Leo“ wäre gerne hinter ihnen her. Dann „Sally“ zum Dritten, oder war es zum Vierten? Berthold entschloss sich danach, sie aufzuatzen. Für uns ging es weiter. Und noch ein erfolgloser kurzer Flug, in dem sich das Kaninchen schnell in den nächsten Bau rettete. „Leo“ saß oben im Baum und hoffte weiter. Plötzlich stürzte er herab und ich dachte schon, er hätte ein springendes Kaninchen gesehen. Ein Kaninchen hatte er gesehen. Nur war es kein springendes, sondern eines, was aus Alex mittlerweile vor Beute überquellender Falknertasche an seiner Seite raus guckte und er es sich frech schnappte. Dass er es wieder abgeben musste, gefiel ihm überhaupt nicht.

 

Inzwischen waren Bertholds 4 Frettchen müde aufgrund ihrer vielen Einsätze und sie durften sich in den verdienten Feierabend verabschieden. Also dachte ich, für uns ist die Jagd jetzt vorbei. Ich schloss mich Kati mit den beiden Hunden an, um mich auf den Rückweg zu machen. Sie zeigt auf ihren Hund, und er zeigte mir, da, Beute. Genau da. Wir versuchten also, das Kaninchen dort aufzuscheuchen, gemeinsam mit dem anderen Hund und Katis Unterstützung. Und tatsächlich sprang es und wir hatten noch einen letzten Jagdflug. Leider wieder erfolglos. Das war also „Leos“ Premiere, unter dem Hund zu jagen. Es ging nach anfänglichem Misstrauen erstaunlich gut. Was für ein Tag. So viele Chancen hatten wir noch nie. Ich habe mich gefragt, ob es an den fehlenden 10 Gramm lag, oder ob wir einfach nur Pech hatten. Aber weil wir so gekämpft und gejagt haben, hat Berthold „Leo“ einfach eines seiner gebeizten Kaninchen „spendiert“ und so konnte ich „Leo“ noch mit einem positiven Abschluss in den Feierabend schicken. Was hier einmal mehr wieder deutlich wurde, ist die Tatsache, dass es keinen Jagdneid gibt. Jeder versucht, dem anderen Chancen zu liefern, jeder versucht, den anderen zu unterstützen. Jeder arbeitet für jeden. An dieser Stelle nochmal für und an alle, ein herzliches DANKESCHÖN.

 

Ich bin noch kein alter Hase und kenne die früheren, wilden Zeiten nicht, aber für mich war diese Beizjagd ein wunderbares, außergewöhnliches Erlebnis und ich bin wirklich froh, dabei gewesen zu sein. Hoffentlich hat das Hochwasser keine schlimmen Schäden bei Kati und Alex angerichtet.

 

Im Anschluss trafen wir uns noch gemeinsam zum Essen und Klönen in einem Restaurant, wo uns Familie Junker einen Platz reserviert hatte. Wir ließen das Erlebte sacken, freuten uns über die reiche Beute und verbrachten noch einen schönen Abend, bevor wir uns alle wieder auf die Heimreise machten.

 

Da Luisa Ziegler und Dominik Fischer am heutigen Tag (02.01.18) in der Gießener Uni-Vogelklinik arbeiten mussten, waren Alex und Kati so nett, mit den beiden am vorherigen Nachmittag (01.01.18) in ihrem Revier rauszugehen. Die beiden führten ihre Gäste auf das Gebiet eines Freibades. Luisa und Dominik flogen Ihre Kompanie-Harris-Hawks, Alex und Kati führten ihre beiden Habichte, die beiden Jagdhunde und alle brachten ihre Frettchen mit. Das Wetter meint es gut und bei strahlendem Sonnenschein beizte Alex bereits das erste Kaninchen, dem sein Englisch-Setter-Kurzhaar-Rüde „Kaspar“ perfekt vorgestanden hatte, während die anderen sich noch an den Autos fertig machen. Das war ja schon mal ein gelungener Auftakt der „Hessenbeize“. In der Folge konnten einige weitere Kaninchen gesprengt werden, die auf dem Schwimmbadgelände rasante Fluchten Richtung Zäune, Spielgeräte oder Gebäude zeigen. Nach zwei erfolglosen Flügen konnte die Harris-Kompanie erfolgreich ein Kaninchen am Außenzaun zur Strecke bringen. Der schnellere Harristerzel „Mephisto“ hielt es so fest, dass der weibliche Vogel „Norma“ einen gezielten, doppelten Kopfgriff ansetzen konnte. Unglaublich wie schnell die Vögel werden können, wenn sie eine Chance nutzen wollen und wie gezielt sie auch durch den Zaun greifen können. Luisa atzte den Terzel auf dem Kaninchen auf, wobei sie pädagogisch sinnvoll die beiden Hunde daneben ablegen ließ. Damit sollte der junge „Mephisto“ seine Scheu vor Hunden ein Stück weiter verlieren und mit Kaninchen in den Klauen schienen Hunde gar nicht mehr so schlimm zu sein. Kati hatte kurz darauf mit ihrem Habicht ebenfalls Jagderfolg, so dass keiner „als Schneider“ nach Hause gehen musste. Ihr Habicht konnte nach schnellem, rasanten Flug ein Kaninchen binden. „Norma“ hatte an diesem Tag kein Glück mehr und ließ sich von den Kaninchen austricksen, während Alexs Habicht noch ein zweites Kaninchen auf einem Wegstück zwischen zwei eingezäunten Sportfeldern erbeutete. Jetzt hätte der Tag gut zu Ende sein können, wäre das Frettchen von Luisa und Dominik nicht im Bau geblieben. Alles Locken, Reizen und Rufen war erfolglos und die Frettchendame „Ronja“ ließ sich nicht zum Herauskommen bewegen. So mussten Drahtreusen gestellt und Daumen gedrückt werden. Zum Glück ging die kleine „Ronja“ am nächsten Tag in die Reuse. So dass sie von den Falknerkollegen, die ja heute erst zum Beizen gekommen waren, wieder mit nach Hause genommen werden konnte.

 

Mein Text ist länger geworden, aber ich hoffe, man kann ein wenig meine Begeisterung erkennen und nachvollziehen. Ich bereue nicht, den Weg auf mich genommen zu haben, auch wenn die Fahrerei, im Sturm und Regen morgens und abends, wirklich nicht schön war und es kein Ausflug um die Ecke war. Auch ohne eigenen Jagderfolg war diese Beizjagd eine der schönsten, der ich bislang in der Komturei Hessen beiwohnen durfte.

 

Herzlichen Dank nochmal an Kati und Alex Junker, Berthold und alle Teilnehmer die dabei waren.

 

Falknersheil,

 

Kerstin Baldschun

Komturei Hessen