Beizjagd auf Nilgänse

13. Januar 2018

1. Über meine Harris-Hawks „Kira“ & „El Cid“

 

Vorletztes Jahr war wirklich kein gutes Jahr für mich.

 

Bei der Beizjagd auf Norderney hatte sich mein Rothabicht beim Stoß auf einen Fasan ein Bein gebrochen und musste eingeschläfert werden. Mein Wanderfalkenweib verlor ich bei einem Jagdflug auf Krähen an einen Mäusebussard. Daher beschloss ich, wieder zu meinem ersten Beizvogel zurückzukehren und stellte mir, recht spät im Jahr, zuerst einen Harris-Terzel auf, dem kurze Zeit später ein Weib folgte.

 

Bei der Auswahl der Vögel war mir wichtig, dass sie aus jagdlich geflogenen Linien stammten und, dass Weib und Terzel auf keinen Fall irgendwie miteinander verwandt waren. Als ich beide Vögel abgetragen hatte, ging die Beizsaison schon dem Ende zu – eigentlich eine schlechte Zeit, um Jungvögel einzujagen. Da zu dieser Zeit (Ende 2016) bereits vielerorts die Kaninchenbestände zusammengebrochen waren und ich für meinen Wanderfalken bereits eine satte Anzahl Krähenreviere akquiriert hatte, entschloss ich mich, beide Harris auf Krähen abzutragen.

 

Während der Terzel, den ich im ersten Jahr mit 620 g flog, damit eher keine wirklichen Probleme hatte, tat sich das Weib mit einem nicht viel höheren Jagdgewicht von ca. 900 g zunächst mit der Wendigkeit von Rabenkrähen etwas schwerer. Umso erstaunter war ich natürlich, als das Harris-Weib die erste Gelegenheit nutze, als sie auf zwei Nilgänse auf einem Acker traf. Sie jagte sie gleich an und fing die erste Gans sogar im Auffliegen einige Meter über dem Boden. Natürlich war ich schon recht stolz auf meine Kira. Als erste Beute gleich eine Nilgans – und das, wo es doch oftmals heißt, Harris würden im ersten Jagdjahr oftmals eher schlecht jagen…. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich, dass meine Kira auch ohne irgendwelche Übungen einen doppelten Kopfgriff beherrschte. Wie sie das bei einer auffliegenden Gans hinbekommen hat, ist mir bis heute ein Rätsel.  

Mein Terzel „El Cid“, genannt „Ciddy“ versuchte sich dann in der verbleibenden Jagdzeit erfolgreich an Krähen und hatte hier seine ersten Jagderfolge. Allerdings zeigte er auch als Jungvogel bereits Ambitionen in Richtung größerer Vögel – was ich an dieser Stelle aber besser nicht weiter ausführen möchte… Leider hatte ich im ersten Jagdjahr ja erst spät angefangen – und dann kam auch noch die Problematik der aufkommenden Vogelgrippe über uns. Da meine Harris ja in erster Linie Vögel jagten und wir rund herum viele Seen mit Wassergeflügel haben, stellte ich beide Vögel schweren Herzens bereits Anfang Januar des letzten Jahres wieder ab. 

 

Nachdem sich beide Vögel während der Jagdzeit in einer Voliere auf zwei Sprenkeln gegenüber gestanden hatten, atzte ich nun beide eine Woche lang mit Taube auf – „all-You-can-eat“ ist doch die beste Methode, etwaigen Missverständnissen zwischen Weib und Terzel vorzubeugen… Nachdem die beiden Harris zumindest weitestgehend vermausert hatten, begann ich im September mit dem langsamen Abtragen und fing die neue Jagdsaison mit Ciddy und Kira im Oktober an. Da ich mir Kira doch auch als Haarwild-Jägerin erhalten und einer möglichen „Festlegung“ auf Krähen als Beutewild entgegenwirken wollte, jagte ich in erster Linie mit dem Terzel erfolgreich auf Krähen. Allerdings hat Ciddy auch so seine Tage, an denen er mit durchaus gutem Jagdgewicht erst einmal 1-2 schlechte Jagdflüge zeigte und z. B. hin und wieder statt einer Krähe lieber einen abgefressenen Maiskolben „fängt“.

Leider boten sich im laufenden Jagdjahr für Kira nur wenige Gelegenheiten zur Jagd auf Haarwild. Wie froh war ich dann, als wir zumindest einmal beim Stöbern auf Kaninchen auch einmal einen Hasen hoch machten, den sie nach energischer Verfolgung mit einem doppelten Kopfgriff band und in kurzem Kampf zu Boden brachte. 

 

Ciddy hat zwischenzeitlich bei der Jagd auf Schwarmkrähen und v. a. bei weiter entfernt sitzenden Krähen eine besondere Jagdstrategie entwickelt. Sobald er aus dem Autofenster losfliegt, steilt er fast nach Falkenart ein Stück auf und übersteigt damit zumindest diejenigen Krähen, die den Kleinen nicht für voll genommen und sich gedrückt haben – um dann wiederum nach unten zu stoßen. Kira hingegen pflegt den direkten Jagdflug auf kürzester Strecke und hat eine solche Jagdweise bislang nur vereinzelt gezeigt.

  

Ja, und irgendwann war dann der Tag „0“ – an dem drei Nilgänse auf dem Acker saßen, auf dem sich auch einige Krähen tummelten… Keine Ahnung, ob der Terzel die Krähen erst gar nicht angejagt hat – jedenfalls flog er die drei Nilgänse an und fing gleich eine der drei!  Und im Laufe des Jagdjahres folgten nicht wenige andere nach. Auf der Grundlage dieser Beizerfolge möchte ich nachfolgend einige Eindrücke und Erfahrungen von/bei der Jagd auf Nilgänse wiedergeben.

2. Die Jagd auf Nilgänse

 

Wie für die Krähenjagd unabdingbar, habe ich mir zwischenzeitlich in ca. 25 Revieren die Erlaubnis der jeweiligen Pächter eingeholt, auf Krähen zu jagen. Mit den meisten Pächtern ist abgesprochen, dass ich auch Nilgänse bejagen darf. Im Gegensatz zu anderen Gegenden, in denen Nilgänse ja gruppen- und herdenweise auftreten, tummeln sich bei uns immer nur einzelne Familien, in der Regel sind es sogar nur Paare. Nach meinen Erfahrungen mit diesem Beutewild würde ich meine Vögel wohl auch nicht auf eine größere Gruppe von Nilgänsen fliegen. Über eines muss sich jeder Falkner im Klaren sein: Nilgänse sind keine einfachen Beutetiere und dazu auch noch recht aggressiv und wehrhaft. Aus diesem Grunde habe ich schon von einigen Habichten und Harris gehört, die Nilgänse gefangen haben – aber zumeist nur ein einziges Mal und dann nie wieder.

 

Bei diesen scheinbar vor Selbstbewusstsein strotzenden Vögeln verhält es sich zumeist so, dass sie zunächst den Menschen nicht als Gefahr sehen und eine relativ geringe Fluchtdistanz haben. Das ist bei der Jagd aus dem Auto heraus nicht ganz so bedeutsam, hin und wieder könnte man aber versucht sein, Nilgänse auch zu Fuß anzugehen. Dies hat allerdings den Nachteil, dass sich die Aufmerksamkeit der Gänse auf den Falkner und damit auch auf den Vogel auf dessen Arm konzentriert. Startet der Vogel von der Faust, fliegen die Gänse dann gleichzeitig los – und man glaubt gar nicht, wie schnell diese dann in der Luft und schnell für die meisten Kurzstreckenjäger nicht mehr erreichbar sind. Fliegt man den Vogel aus dem Auto und fährt noch ein kleines Stück weiter, scheint sich die Aufmerksamkeit der Gänse auf das Auto zu konzentrieren – wenn sie überhaupt argwöhnisch geworden sind. Den heranfliegenden Harris nehmen sie dann entweder viel zu spät wahr oder aber nehmen ihn erst gar nicht ernst. Dies scheint mir v. a. bei meinem Ciddy so zu sein, mit seinen 620-650 g Jagdgewicht auf den ersten Blick auch nicht gerade eine Bedrohung!

 

Wenn der Vogel dann in 5-8 Metern Höhe einmal über ihnen kreist, erkennen die Gänse dann die Gefahr – allerdings zu spät, um noch zu entkommen. Nilgänse stellen sich dieser Bedrohung aber sofort mit hoch erhobenen Hälsen und gespreizten Schwingen! Und, hat der Harris eine von beiden gepackt, gibt es nicht nur mit dieser Gans einen heftigen Kampf! Die andere Gans greift in der Regel sofort den Beizvogel mit Schnabel und Schwingenschlägen an! Aus diesem Grunde ist es elementar wichtig, dem Beizvogel sofort zu Hilfe zu kommen. Bereits während des Laufens rufe und schreie ich laut und man sieht deutlich, wie die zweite Gans dann hin und her gerissen ist zwischen der Angst vor der herannahenden weiteren Bedrohung und dem Beschützerinstinkt hinsichtlich des Partners oder des geführten Jungvogels. In der Regel streicht die zweite Gans dann entweder ab und umrundet das Geschehen schreiend oder setzt sich in geringer Entfernung auf die Wiese/den Acker – wohl, um ggf. doch noch irgendwie helfen zu können.

 

Diese Hilfe für den Beizvogel ist auch deshalb nötig, da sich die angegriffene Gans zumeist sich mit Treten und Flügelschlägen, aber auch mit Schnabelhieben zu verteidigen sucht. Mit einem Kopfgriff zieht der Harris – selbst der kleine Ciddy – die Gans so weit zu Boden, dass sie natürlich nicht mehr mit dem Schnabel schlagen oder beißen kann, der Beizvogel aber außer Reichweite des lebensgefährlichen Schwingenbugs oder der nicht minder gefährlichen Füße bleibt. Aus diesem Grunde überlege ich mir auch sehr genau, wie weit die Nilgänse von der Straße wegsitzen und wie lange es folglich dauert, bis ich meinem Vogel helfen kann – bevor ich den Vogel fliegen lasse.

 

Nilgänse sitzen auch häufig nicht auf schönen, ebenen und trittfesten Wiesen, sondern auf matschigen Äckern, in denen man knöcheltief versinkt, wenn man seinem Beizvogel zu Hilfe eilen will. 50 Meter werden da schnell zu gefühlten 500 Metern! 

 

Und selbst wenn man glaubt, alles richtig eingeschätzt zu haben, gibt es immer wieder mal unliebsame Überraschungen. Bei einer kürzlichen kleinen Krähenbeize mit Freunden aus dem ODF Hessen hatten wir auf einer Wiese zwei Nilgänse stehen sehen. Die Entfernung war noch tragbar – und so ließ ich meine Kira fliegen. Diese nahm die Gänse auch gleich an und band eine der Gänse mit einem Hals-/Kopfgriff. Schreiend lief ich auf meinen Vogel zu, um die andere Gans zu vertreiben, meinem Beizvogel zu helfen und die Gans abzufangen – und stand vor einem Hochwasser führenden Bach, den wir alle vom Auto aus nicht gesehen hatten!

Gut, dass nicht allzu weit entfernt ein Weg über den Bach führte. Sofort „rannte“ ich auf matschiger Sumpfwiese dorthin, krabbelte den Hang auf allen Vieren hoch, auf der anderen Seite wieder runter. Aber keine zehn Meter vor meinem Vogel konnte ich einfach nicht mehr. Ich hatte das Gefühl, mir hingen die Lungenflügel links und rechts neben meiner Zunge bis zum Boden. Bis ich zu meinem Vogel kam, hatten diesen dann auch die Kräfte verlassen und die Gans konnte sich losreißen. Welch' ein Glück, Kira war nur pitschenass und völlig k.o. – aber unverletzt! Ich konnte das erste Mal meinem Vogel bei seinem Kampf nicht helfen – eine bittere Erfahrung! Hätte Kira keinen sicheren Hals-/Kopfgriff gehabt, wäre sie vielleicht ernsthaft zu Schaden gekommen.

 

Zwischenzeitlich hat sich mein kleiner Ciddy zu einem passionierten Nilgansjäger entwickelt. Gut, wir fangen nicht jeden Tag eine, wir haben auch nicht so viele Nilgänse in unserer Gegend. Aber es ist schon eine ganz nette Anzahl zusammengekommen und immer wieder eine schöne Abwechslung zur Krähenjagd. Schön zu sehen, wie sich auch hier der Jagdstil perfektioniert hat. Vor zwei Tagen hat Ciddy die diesjährige Nilgans-Saison 2017/18 mit einer tollen Beute beendet: Auf einem Matschacker stand eine einzelne Gans, die wir wohl auch bei unserer kleinen Krähenbeize am Tag davor schon auf einer Wiese hatten stehen sehen – eine wirklich stramme Gans!

Auch diese Gans unterschätzte den kleinen Ciddy völlig und dachte wohl, es reicht aus, ein Wenig zu tröten, die Flügel zu spreizen und anzugeben. Ciddy flog die Gans wieder an, steilte auf, um sogleich wieder herabzustoßen. Er packte die Gans mit beiden Fängen am Hals, zog sie nach unten und hielt einfach nur fest. Natürlich fand das sein Gegenpart weniger nett und versuchte ihn loszuwerden, ihn zu überlaufen und mit den Flügeln zu treffen! Aber nur sehr kurz, dann verließen ihn die Kräfte. Ciddy hielt die Gans weiterhin eisern am Boden. Als ich hingelaufen kam, zeigte sie kaum mehr Gegenwehr – Ciddy hatte ihr wohl richtiggehend den Hals zugedrückt und damit die Blutzufuhr zum Kopf unterbunden. „El Cid, der Würger“! Eine tolle Beute zum Abschluss: 3,0 kg brachte die Gans auf die Waage!!!

Ciddy hat es über eine doch ganz ordentliche Jagdstrecke durchaus geschafft, mit einigermaßen ordentlichem Gefieder durch die Jagdsaison zu kommen. Kira hingegen sieht schon etwas mitgenommen aus. Allerdings hatte sie auch einige Fänge in eher ungünstigem Gelände und stieß vereinzelt auf harte Gegenwehr.

 

Das laufende Jagdjahr werden wir auch mit Ciddy in Kürze abschließen. Dann werden Kira & Ciddy erst einmal rund gemästet, bevor sie dann tiefenentspannt erstmals ihre neue 6×8 Meter Zuchtvoliere beziehen dürfen. Mal sehen, vielleicht gibt es ja im Sommer die ersten kleinen „Westerwälder Harris-Hawks“.

 

Fazit:

 

Der Harris-Hawk ist ein absoluter Allrounder. Während mit dem Harris die Beizjagd auf Kaninchen eher die Regel und die Jagd mit diesem Vogel auf Hasen schon eher seltener ist – gibt es, soweit mir bekannt ist, wenige Harris-Hawks oder Habichte die regelmäßig und passioniert Nilgänse jagen. Diese Jagd ist interessant, aber aufgrund der Wehrhaftigkeit dieses Beutewildes nicht ungefährlich. Entscheidend für den Jagderfolg ist nicht die Größe des Vogels, sondern der Mut und die Technik, die er bei der Jagd zeigt. Die besten Anlagen dürften hierfür m. E. Vögel mitbringen, deren Eltern bereits Passion für Federwild gezeigt haben.

 

Falknersheil,

 

Orlik Frank 

Komturei Hessen