Glück ist: Wenn die Katastrophe eine Pause macht!

11. April 2022

Da denkt man immer "so was kann mir nicht passieren", dass ein Greif mit geschlossenem Geschüh von der Flugdrahtanlage entkommt. Nicht ganz so weit im Hinterkopf immer die Vermutung: Der Falkner hat sich nicht regelmäßig um die Geschühriemen gekümmert, die Drahle nicht kontrolliert etc. etc. Ihr wisst sicher was ich meine!

 

ABER, jetzt hat es uns erwischt!

Am Mittag des 11. Aprils 2022 saß unsere Habichtsdame noch wild balzend an ihrer Anlage, am Nachmittag war sie weg. Der Ring von der Flugdrahtanlage war gebrochen - Materialermüdung. Und DAS! obwohl wir einen Tag vorher die Geschüh samt Riemen erneuert und auch den Ring kontrolliert hatten. Manchmal steckt man einfach nicht drin und das Unglück nimmt seinen Lauf.

 

Wir wohnen sehr sehr ländlich und haben rings um unser kleines Dorf mehr oder weniger Wald. Wie den Habicht da wiederfinden? Ab 15 Uhr suchten wir alles ab. Nirgends halfen uns aufgeregte Krähen, Kolks oder sonstige Geräusche, kein Bellenläuten. Nichts aber auch gar Nichts war zu hören!  Auch unsere Söhne, die jeweils in anderen Richtungen suchend unterwegs waren, konnten nichts Hoffnungsvolles berichten. 

 

Um 19.30 Uhr, als es langsam dunkel wurde, gaben wir es für diesen Tag auf und fuhren nach Hause. Dann hörte mein Sohn ein Bell-Läuten hinter unserem Haus. Also das Federspiel wieder hervorgeholt und raus. Laut rufend und lockend suchten wir weiter. Auf dem Zug durch unser Dorf schlichen wir durch die Gärten in der Hoffnung, keine Schelte von den Eigentümern zu erhalten. Aber wieder war nichts zu hören. 

 

Dann vernahm ich doch ein vermeintliches Bell-Läuten in der Nähe unserer Kirche, die an unser Grundstück angrenzt. Den Nachbarn schnell noch um Erlaubnis gefragt sein etwas größeres Grundstück zu durchstöbern und los. Mitten auf dem Nachbargrundstück hörte ich dann wieder das Läuten. Diesmal deutlicher! Es kam aber nicht vom Grundstück, sondern vom Gelände außerhalb des Ortes, auf der anderen Seite der Bundesstraße 3, in ca. 200 Meter Entfernung.

 

Langsam war es richtig dunkel und wir organisierten starke Taschenlampen und einen Strahler. Die vermutete Stelle ist ein Feuchtgebiet mit hohen Bäumen direkt am Waldrand. Netterweise schloss sich noch ein Einheimischer der Suche an und wir versuchten die Bäume auszuleuchten um den Habicht zu finden. Auf mein Rufen oder unsere Anwesenheit reagierte der Habicht, denn er sprang hörbar ab. Leider konnte man am Klang deutlich hören, dass er sich verfangen hatte. Kurze Zeit später noch einmal ein kurzes Klingeln.

 

Leider mussten wir um 22 Uhr die Suche abbrechen, da der Vogel in der Dunkelheit trotz starker Strahler einfach nicht zu finden war!

 

Nach einer unruhigen Nacht standen wir um 06.15 Uhr wieder an Ort und Stelle. Als es dann schnell heller wurde, haben wir den Habicht endlich gefunden. 

Er hatte sich eine riesige Pappel ausgesucht und saß in über 20 Metern Höhe, sehr weit außen auf einem Ast und hatte sich mit seiner Langfessel verfangen. Der Supergau!

 

Gott sei Dank saß sie in der Senkrechten und hing nicht schon kopfüber im Baum und fühlte sich auch noch wohl, wie man am geplusterten Gefieder und am Stoßschütteln deutlich sehen konnte. 

 

Was nun? Das Erste was uns einfiel 112! Der Mann in der Notrufzentrale war wirklich super!

 

Nachdem wir ihm unser Problem und die Örtlichkeiten ausführlich beschrieben hatten, der Baum mit unserem Habicht stand zwar an einem Waldweg, der aber in keiner Weise befestigt ist und auch noch direkt an dem Feuchtgebiet liegt, baten wir um Rat. 

 

Eine Möglichkeit wäre gewesen, direkt einen Feuerwehrzug loszuschicken. Da aber weder die Notrufzentrale noch wir glaubten, dass das schwere Fahrzeug (hat 18 Tonnen, wie wir erfahren haben) bis zum Baum fahren kann, machte der Man den Vorschlag, erst den zuständigen Brandinspektor vorbeizuschicken damit er sich die Sache ansehen kann.

 

So verblieben wir dann und ca. 30 Minuten später war Herr Martin Wilhelm, Brandinspektor der Feuerwehr Cölbe, bei uns. Herr Wilhelm war ebenfalls supernett. Er hatte gerade seinen zweiten Urlaubstag und war von der Notrufzentrale aus dem Bett geklingelt worden. Trotzdem hatte er sich auf den Weg gemacht, um uns zu helfen!

 

Leider bestätigte sich unsere Vermutung, es war unmöglich mit einem Leiterzug bis zum Baum zu fahren. Auch vermutete Herr Wilhelm, dass die Leiter wahrscheinlich, trotz einer Länge von 20 Metern, nicht ausreichen würde. Wir bedankten uns sehr herzlich bei Herrn Wilhelm für seine Hilfe und erkundigten uns, was wir denn schuldig wären. Er wollte jedoch noch nicht einmal eine Entschädigung für seine Mühen haben!

 

An dieser Stelle die Info für Alle, die es noch nicht wussten: Menschenrettung ist kostenlos, Tierrettung wird jedoch in Rechnung gestellt. Über die Kosten entscheidet die jeweilige Gemeinde bzw. Stadt. So haben wir, dadurch das Herr Wilhelm sich die Örtlichkeit erst angesehen hat, jede Menge Geld gespart! An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank an die Notrufzentrale und Herrn Martin Wilhelm für die tolle Unterstützung - Daumen hoch!!!!

 

Die nächste Idee die wir hatten, war ein Baumpfleger. Diese Experten hatten wir im letzten Jahr bei unserem Nachbarn beim Schneiden eines wirklich großen Walnussbaums gesehen. Also ran ans Internet und die Firma rausgesucht. Natürlich war um 7.30 Uhr morgens noch niemand zu erreichen und so sprachen wir aufs Band und schrieben auch eine E-Mail.

 

Mittlerweile hatte Frank unser Problem auch in unserem Freundeskreis verbreitet. Stefan Heck, der mit mir zusammen den Jagdschein gemacht hatte, kannte privat Christian Koch, Baumpflege und Forstdienstleistungen aus Münchhausen. Nachdem der Kontakt hergestellt war schilderten wir unser Problem. Christian war guter Dinge, uns helfen zu können und versprach, gegen 9.00 Uhr bei uns zu sein. So ein Glück, dass er an diesem Tag überhaupt Zeit für eine Rettungsaktion hatte!

 

Nachdem Christian sich die Sache angesehen hatte, fasste er folgenden Plan:

Er wollte bis zum Ast auf dem der Habicht saß hochklettern, den Ast sichern, absägen und dann samt Habicht langsam zu Boden lassen. Leicht gesagt, schwer getan!

 

Bei dem Baum handelte es sich um eine Pappel, die eine sehr raue und borkige Rinde hat. Um das für Christian lebenswichtige Sicherungsseil anzubringen, musste er zuerst seine Führungsleine in die hohe Astgabel bringen. 

 

Diese Führungsleine wird mit einem kleinen Gewichtssäckchen beschwert und mit einer sehr großen Zwacke durch die Astgabel geschossen. Das Gewichtssäckchen sinkt dann normaler Weise wieder herunter und das Sicherungsseil kann dann, an der Leine befestigt werden und so durch die Astgabel hochgezogen werden. 

 

Durch die raue Rinde der Pappel wollte es aber einfach nicht klappen!

 

Entweder verhakte sich das Säckchen oder die Leine. Drei Gewichtssäckchen und mehrere Meter Leine hingen schon im Geäst fest und es war nur noch ein letztes Säckchen da, als es endlich klappte und Christian sein Sicherungsseil spannen konnte. 

 

Was für ein Nervenkrieg!

 

Unsere „Liv“ hat sich während der Zeit recht wacker geschlagen - für einen Habicht. Natürlich sprang sie bei jedem Hochschießen eines Säckchens ab, schaffte es aber immer wieder sich aufzuschwingen. Trotzdem konnte man sehen, dass sie sich immer weiter verhedderte. 

 

Nachdem alles fest verzurrt war, machte sich Christian auf den Weg nach oben. Das nahm auch eine ganze Weile in Anspruch und wir konnten sehen, wie anstrengend es ist, senkrecht am Seil in die Höhe zu klettern. Bei der angepeilten Astgabel angekommen wurde klar, dass dies in der Höhe noch nicht reicht. Also das nächste Sicherungsseil in der nächsten Astgabel befestigt und weiter nach oben. Endlich war er am Ast angekommen, auf dem „Liv“ saß.

 

Wir befestigten am Boden eine lange Astsäge an einem weiteren Seil das für diese Zwecke gedacht ist, und Christian zog die Säge nach oben. Er sicherte den Ast und fing an zu sägen.

 

Als der Ast durchgesägt war und zu fallen begann, riss das Sicherungsseil für den Ast, da er doch schwerer war als gedacht. Wieder hatten wir Glück und der Ast mit unserem Habicht wurde durch eine weiter unten wachsenden Astgabel aufgefangen. 

 

Christian kletterte bis dorthin zurück und versuchte, den Ast erneut zu sichern. Er musste ihn ein Stück zu sich heranziehen und dadurch kam der Ast wieder frei und fiel aus ca. 10 Metern Höhe samt unserem Habicht zu Boden!

 

Durch wieder unglaubliches Glück kam der Habicht samt Ast in einem Stück und unverletzt unten an! Der Waldboden war durch das Laub und den vielen Regen in letzter Zeit sehr weich und ich hatte schon alle Äste, Steine und sonstige Hindernisse vom Boden unter dem Baum weg geräumt.

 

Nachdem wir „Liv“ befreit hatten, stand sie gerade und überraschend wenig zerzaust sofort schon wieder schimpfend auf dem Handschuh!

 

Was waren wir glücklich!

 

Auch Christian war sichtlich erleichtert und froh, dass die Rettungsaktion ein gutes Ende genommen hat! 

 

Unglaublich, wie viel Glück wir an diesem Tag hatten.

 

An dieser Stelle möchten wir uns nochmal ganz ganz herzlich für die große Unterstützung bei allen Beteiligten bedanken. Angefangen bei der Notrufzentrale, Herrn Martin Wilhelm Brandinstpektor der Feuerwehr Cölbe. Unseren Freunden für Rat und moralische Unterstützung, den Einwohnern von Schwarzenborn, die Augen und Ohren offen gehalten haben und natürlich geht das größte Dankeschön an Christian Koch! Ohne ihn wäre unser Habicht nicht mehr am Leben! 

Vielen vielen Dank dafür!

 

Die am Morgen angerufene Firma der Baumpfleger hat sich im Übrigen bis jetzt noch nicht gemeldet!

 

Wir haben aus dieser Situation gelernt und werden unsere Flugdrahtanlage auf jeden Fall noch mit einer Einhausung aus Netz sichern!

 

Mit einem dicken Augenzwinkern empfehlen wir allen Falknern, diese Aktion nicht nachzumachen, da wir bereits alles Glück dafür verbraucht haben!

 

Habicht frei!

 

 

 

Monika Klaus & Frank Kasolevski