Falknerische Überraschungen im Winterurlaub

3. Januar 2019

Zur Abwechslung zu den „üblichen Beizjagdberichten“ dachte ich mir, ich könnte doch mal über unsere unerwarteten und für uns ungewöhnlichen Erlebnisse aus unserem Urlaub  berichten:

 

Vom 08. bis 22.12.2018 haben mein Mann und ich unseren Winterurlaub auf Madeira verbracht. Unser Hotel war in Funchal, der Hauptstadt der Insel. Als wir am ersten Tag vom Hotel aus an der Küste von Funchal entlang liefen, beobachteten wir fasziniert die hübschen und uns bisher unbekannten kleinen Kanariengirlitze und Madeirafinken, die in den Cafes auf Krümel aus waren – gierig und frech wie unsere heimischen Sperlinge. 

Und wie locker sich die Möwen an diesem Tag im doch sehr starken Küstenwind hielten und ihre Flugkünste zeigten. Ich schätzte, dass die Vögel hier im Gegensatz zu unseren „Festlandvögeln“ eine unglaubliche Bemuskelung aufweisen müssen, um den Inselwinden standhalten zu können. Während wir so an der Küste entlang liefen, meinte ich auf einmal, am Himmel außer Tauben und Möwen noch etwas anderes ausgemacht zu haben – war das eben ein Falke?! Das kam für mich überraschend, da ich das irgendwie gar nicht auf einer Insel mitten im Atlantik erwartet hatte! Dachte ich zunächst noch einen Wanderfalken, der ja angeblich weltweit praktisch überall vertreten ist, merkte ich, dass "es" doch „was Kleineres“ war. Ich hatte Glück, das „es“ kam näher und schwebte dann im Gegenwind zunächst knapp über uns an der Klippe und kurz danach unter uns an der schroffen Steilwand zum Meer. Nun konnte ich es gut erkennen - ein Turmfalkenweib! Hier, auf Madeira? Ich hätte mich vorab doch etwas informieren sollen, merkte ich… Was für ein herrlicher Anblick, denn um in der Luft stehen zu bleiben, wäre ja normalerweise ein Rüttelflug nötig gewesen. Da der Wind jedoch so stark blies, konnte der kleine Falke einfach durch einfaches Ändern des Anstellwinkels der Schwingen in der Luft stehen bleiben und zeigte uns so mit seinen ausgebreiteten Schwingen einen herrlichen Anblick. Kurz darauf brach er seinen Suchflug erfolglos ab und verschwand wieder. Mit einem breiten Grinsen setzen wir unseren Spaziergang fort.

 

Zurück im Hotel las ich nach, dass neben den Turmfalken vor allem Rötelfalken auf der Insel leben. Ob es sich bei dem gesehenen Weib nun einen Turm- oder Rötelfalken oder sogar um ein juveniles Stück einer der Arten handelte, konnte ich im Nachhinein nicht mehr feststellen. Die Weiber beider Arten in freier Natur zu unterscheiden, ist sowieso praktisch unmöglich, musste ich von den Abbildungen her feststellen. Bei Rötelfalken-Terzeln müsste das jedoch bei starker Annäherung möglich sein, denn diese sind deutlich weniger „gesprenkelt“ als die Turmfalkenterzel. Es passierte die nächsten Tage noch unzählige Male, dass wir auf Turm- und/oder Rötelfalken  trafen – an der Küste, in der Stadt, auf dem Land, in den Bergen, einfach überall! Die kleinen Falken sind hier, wie bei uns auch, nicht wirklich wählerisch, finden aber zusätzlich paradiesische und oft sehr natürliche Naturzustände auf der Insel vor. Ihre übliche Leibspeise, die Mäuse, haben wir kein einziges Mal gesehen, aber unzählige Madeira-Mauereidechsen, die laut Internet hier auf der Insel wohl ihre Hauptnahrung ausmachen. Leider konnten wir keine wirklich brauchbaren Fotos mit der Handykamera machen, da sie dann doch zu weit waren und sie wieder verschwunden waren, bis unsere „richtige“ Kameraausrüstung ausgepackt war. Turm- und Rötelfalken sollten jedoch nicht unsere einzige Begegnung mit Greifvögeln bleiben, hier und da sahen wir auch etwas, das auf die Ferne Mäusebussarden ähnelte, aber dies deutlich seltener. Aus der Ferne meinte ich auch, einen Gleitaar entdeckt zu haben, der aufgrund seines schneeweiß/grauen Gefieders eigentlich unverwechselbar ist. Nah genug dran, um dies zu bestätigen, kam ich aber leider nicht.

 

Aber auch abgetragene Greifvögel sollten wir durch Zufall kennenlernen – DAS hatte ich auf der Insel noch viel weniger erwartet, als ihre wilden Gesellen! Wer es noch nicht kennt: Der Hafen von Funchal ist ein beliebter Zwischenstopp für die all die großen Kreuzfahrtschiffe. Und so war es nicht verwunderlich, dass jeden Tag mindestens eins, meistens aber zwei große Schiffe der großen bekannten Reedereien im Hafen zu sehen waren. Am dritten Urlaubstag beschlossen wir also, uns so einen „dicken Brummer“ mal aus der Nähe auszusehen. Also liefen wir bis ganz zum Ende des Piers. Während ich noch das Schiff bestaunte, rief mein Mann „Greifvögel!“.

Und da saßen sie schon ganz unscheinbar in der Ferne und erst auf den zweiten Blick zu erkennen, auf Sprenkeln stehend mit Badebrenten daneben, aufgereiht auf der Kaimauer. Es handelte sich um drei adulte und zwei juvenile Harris-Hawks. Ein zugehöriger Falkner war aber nicht zu sehen, nur zwei auf einer Treppe herumlungernde, mit gelber Signalweste und Freizeitkleidung bekleidete Jungs Anfang Zwanzig und eine ebenso gekleidete junge Frau, die so alle gar nicht nach Falknern aussahen. Sie sprachen gut Englisch, was die Verständigung einfach machte. Ich fragte sie, ob es ihre Vögel sein, was sie verneinten – aber sie wären ihre „Falkner“. Ich stellte mich ebenfalls als Falkner vor (Portugiesisch: „Falcoeiro“). Auf Nachfrage erzählten sie, dass sie hier auf Jagd nach den Möwen wären. Was ich beeindruckend fand, denn ich wusste ja um die Schnellig- und Wendigkeit der Möwen und deren scharfe Krallen. Ich erzählte Ihnen, dass wir mit Harris-Hawks in Deutschland hauptsächlich Kanin und Krähen, manchmal sogar Gänse jagen würden. Nein, das würde auf Madeira nicht gemacht, nur auf Möwen und Tauben. Und Kanin gäbe es hier überhaupt nicht. Dies wunderte mich, da jedoch gefühlt jede Insel eine Kaninchenplage hat, dachte ich. Einmal waren wir auf den dritthöchsten Berg der Insel, dem „Pico do Areiro“ (1818 m) und hier fand ich an mehreren Stellen Kaninlosung – soviel zu „auf Madeira gibt es keine Kaninchen“… Fliegen und jagen sah ich die Vögel an diesem Tag leider nicht, aber ihren Zweck hatten sie auf jeden Fall erfüllt – es waren keine Möwen an diesem Teil des Hafens zu sehen. 

 

Dass es dies nicht unsere einzige Begegnung mit Beizvögeln sein würde, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Und dafür mussten wir noch nicht einmal weit gehen – es war direkt vor unserem Hotelzimmer!

 

Wir lagen am Pool und dösten vor uns hin, als ich auf einmal meinen Augen nicht traute: Eine Falknerin mit Harris-Hawk auf der Faust spazierte auf dem Hotelgelände am Pool herum! Auf Nachfrage sagte sie ebenfalls, dass es ihre bzw. des Vogels Aufgabe war, Tauben und Möwen vom Hotelgelände fernzuhalten, um die Verunreinigungen und Störungen gering zu halten. Sie arbeite für die Firma „TFalcon Madeira“. Tatsächlich fiel mit dann erst auf, dass wir nur sehr selten Möwen über das Gelände fliegen sahen und auch nie eine landen sahen. Tauben waren gar nicht zu sehen.

 

Sie und ihr Kollege waren jeden Tag ein bis zwei Mal anwesend und ließ den Harris mehrmals quer über das Gelände auf Hotelbalkons und über den Pool fliegen. Ihr könnt euch vorstellen, dass das so manchen überraschten Blick auf die Gesichter der Hotelgäste zauberte, da der Greifvogel oft „wie aus dem Nichts“ erschien! 


Ein paar Tage später, als die Begegnung mit Harris-Hawks am Pool schon „normal“ wurde, hatten wir eine weitere Begegnung: Im großen Einkaufszentrum „Forum Madeira“ schaute ich, in dessen Lichthof angekommen, einfach mal nach oben und sah dort auf dem Dach am Geländer einen Falkner mit seinem Harris-Hawk auf der Faust stehend den Innenhof auf Tauben überwachen. Sie waren einfach überall!

 

Das waren nun die Erlebnisse, die ich mit euch teilen wollte. Schade war allerdings, dass ich den Eindruck bekommen hatte, dass alle abgetragenen Greifvögel ausschließlich zur Vergrämung eingesetzt wurden und keiner der Falkner Ambitionen hatte, mit den Vögeln auf Beizjagd zu gehen. Außerdem hatte mir jeder „Falkner“ erzählt, dass sie den Vogel nur „leihweise“ haben würden und wussten teilweise noch nicht einmal den Namen „ihres“ Vogels. Es ist hier wohl auf Madeira ein Dienstleistungssektor entstanden, der sich ausschließlich auf Vergrämung spezialisiert hat und mit „Angestellten“ rund um die Insel mit Schwerpunkt auf den Touristenorten arbeitet, um diese von Tauben- und Möwenkot sauber zu halten. Ob diese überhaupt eine falknerische Ausbildung besitzen und wie sich die Falknerausbildung in Portugal/Madeira gestaltet, ist mir unklar. Es ist ja auch nicht weiter schlimm, diese Arbeit muss ja auch verrichtet werden und es ist auch sicherlich lukrativ. Aber ich hätte die Beizvögel dennoch sehr gerne mal „richtig“ in Aktion gesehen.

 

Trotz dessen waren diese ganzen Erlebnisse das „i-Tüpfelchen“ auf unseren wunderschönen, meist sonnigen und warmen Winterurlaubs auf Madeira, der ursprünglich einfach nur dafür gedacht war, der Winterkälte in Deutschland zu entfliehen.

 

Falknersheil für das neue Jahr 2019,

Annika Petri